Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Franz von Liszt

Franz von Liszt

geboren: 2. Mai 1851 Wien
gestorben: 21. Juni 1919 Seeheim an der Bergstraße
Konfession: katholisch
Vater: Generalprokurator beim Obersten Gerichtshof

Franz von Liszt

Von Liszt studierte Rechtswissenschaft in Wien, wo er sich im neu eingerichteten Seminar für kriminalistische Praxis besonders mit Gefängniskunde beschäftigte. 1874 promovierte er an der Universität Wien zum Dr. jur. und legte die Richteramtsprüfung ab. Er setzte seine Studien an der Universität Göttingen fort und habilitierte sich 1875 mit einer Arbeit über »Meineid und falsches Zeugnis« an der Graz. 1879 wurde er als ordentlicher Professor an die Gießen berufen. 1881 wechselte er an die Universität Marburg, wo er ein kriminalistisches Seminar gründete, das zum Anziehungspunkt für modern orientierte Jurastudenten wurde. 1889 nahm von Liszt den Ruf an die Universität Halle an, wofür ihm Dispens nach § 4 des Universitätsstatutes erteilt wurde. Hier lehrte er Rechtsphilosophie, Strafrecht, Strafprozess, Völkerrecht und Zivilprozessrecht und zog zahlreiche in- und ausländische Studenten an. 1899 wechselte von Liszt an die Universität Berlin, wo er 1916 in den Ruhestand trat.
Bereits im Programm seines Marburger kriminalistischen Seminars forderte von Liszt eine spezialpräventive Anwendung der Strafe und wandte sich so gegen die klassische, generalpräventive Vergeltungstheorie. Nach seiner Ansicht sollten soziologische Erkenntnisse über die Kriminalität bei der notwendigen Revision des Strafrechtes ebenso berücksichtigt werden, wie die Gelegenheit zur Individualisierung der Strafe (Möglichkeit der bedingten Verurteilung einerseits, härtere Strafen für »Gewohnheitsverbrecher« andererseits). Von Liszt legte sein Programm in mehreren konzeptionellen Schriften, zahlreichen Aufsätzen (»Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge«, 2 Bände 1905) sowie einem erfolgreichen Lehrbuch des Strafrechts (1881, 26. Auflage 1932) dar. Ein Diskussionsforum schuf er 1880, als er gemeinsam mit Adolf Dochow die Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft gründete. Seit 1902 gehörte er dem vom Reichsjustizamt einberufenen Komitee zur Vorbereitung der Strafrechtsreform an, 1909 gab er die sechszehnbändige »Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts« mit heraus. Da von seinen Vorstellungen nur die strafverschärfenden Sanktionierungsmöglichkeiten Eingang in den Entwurf des StGB fanden, legte von Liszt gemeinsam mit Karl von Lilienthal und anderen 1911 einen Alternativentwurf vor. Von Liszt wirkte auch international, so begutachtete er 1886 den russischen Strafrechtsentwurf, 1889 gehörte er zu den Mitbegründern der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung.
Zu rechtspolitischen Fragen äußerte sich von Liszt auch im Parlament. 1908 wurde er als Abgeordneter der Freisinnigen Volkspartei (ab 1910 Fortschrittliche Volkspartei) Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. Von 1912 bis 1918 gehörte als Abgeordneter des Wahlkreises Liegnitz dem Deutschen Reichstag an. Wenige Monate nach Kriegsbeginn veröffentlichte von Liszt einen Appell zur Schaffung eines mitteleuropäischen Staatenbundes. Deutschland und die Doppelmonarchie sollten zu einer wirtschaftlichen Einheit verschmelzen, das Bündnis verfassungsmäßig verankern und eine gemeinsame Militärkonvention verabschieden. Diesem Bund, in dem Deutschland die Rolle des Primus inter pares gleichberechtigter Staaten zugedacht war, könnten später alle anderen europäischen Länder mit Ausnahme Großbritanniens, Russlands sowie Spaniens und Portugals beitreten.

Quellen: UAHW, Rep. 11, PA 10192 (von Liszt); NDB, Band 14, S. 704 f.; Jelowik, Tradition und Fortschritt, S. 107 ff.; Klaus Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral: Die deutschen Hochschullehrer und die politischen Grundfragen des Ersten Weltkriegs, Göttingen u. a. 1969, S. 63 f.

Autor: HE

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