Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Richard Thurnwald

geboren: 18. September 1869 Wien
gestorben: 19. Januar 1954 Berlin
Konfession: evangelisch
Vater: Fabrikdirektor

Richard Thurnwald

Nach dem Besuch des Gymnasiums in seiner Heimatstadt Wien bezog Thurnwald die dortige Universität um Jura und orientalische Sprachen zu studieren. Nach der Promotion zum Dr. jur. absolvierte er eine Übungszeit beim Landgericht in Wien. Nach dem Militärdienst arbeitete er zwei Jahre in der bosnischen Verwaltung, dann ein Jahr bei der Handelskammer in Graz. 1900 siedelte Thurnwald nach Berlin über, wo er an der Universität Ägyptologie und Assyrologie studierte. Zugleich begann er ethnologische Studien am Museum für Völkerkunde. 1904 übersetzte er L. F. Wards Soziologie von heute. Thurnwald selbst veröffentlichte zu den Zünften in Bosnien-Herzegowina, zu Staat und Wirtschaft im alten Ägypten und in Babylon. Im Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie publizierte er zur rassenbiologischen Bedeutung von Hammurabis Familiengesetzgebung (1904) sowie über historisch-soziale Gesetze und Stadt und Land im Lebensprozess der Rasse (1906). Ab 1906 bereiste er im Auftrag des Museums für Völkerkunde den Bismarckarchipel, die Karolinen und die Salomonen. Der Heimweg führte 1909 über Japan und die USA. In den Folgejahren arbeitete Thurnwald das gesammelte Material auf, unter anderem entstanden zwei Bände über die Bewohner der Salomonen und des Bismarckarchipels. Außerdem begann er völker-psychologische Studien. 1912 führte er im Auftrag des Reichskolonialamtes und des Berliner Museums für Völkerkunde eine zweite Südseereise durch. Ziel der Expedition war die geographische, aber auch ethnographisch-anthropologische Erforschung des Stromgebietes des Kaiserin-Augusta-Flusses. Nach Ende der Expedition blieb Thurnwald bis 1914 allein in Neuguinea und führte Geländeerkundungen durch. 1915 gelangte er in die USA. Da Thurnwald 1910 die preußische Staatsangehörigkeit angenommen hatte und Reserveleutnant des deutschen Heeres war, gestatteten die amerikanischen Behörden ihm die Weiterreise nicht. Er konnte jedoch an der Berkeley University bei San Francisco mit der Auswertung der Expedition und seiner eigenen, weiteren Forschungen beginnen, wobei er auf einen Teil seiner Notizen während der Expedition nicht hat zurückgreifen können, da diese teilweise bereits in Neuguinea und dann zum Teil auch auf dem Transport von Berkeley nach New York 1917 verloren gingen. 1917 kehrte er nach Deutschland zurück, die Sammlungen und Aufzeichnungen blieben in den USA. Kriegsdienst leistete er 1917/18 als Oberleutnant an der Westfront. Durch das Wissenschaftsministerium in Berlin angeregt, suchte Thurnwald im März 1919 in Halle um einen Lehrauftrag für Ethnologie, Soziologie und Völkerpsychologie nach. Einen Fürsprecher fand er in Theodor Ziehen, der Thurnwalds Studien einen »äußerst wertvollen Beitrag zur Völkerpsychologie« nannte, die Methoden jedoch als korrekturbedürftig einschätzte. Im April 1919 habilitierte sich Thurnwald dann mit der Schrift »Die Psychologie des Totemismus«. Wohlwollend erwähnt wurden in den Gutachten zur Habilitation bemerkenswerterweise auch »Inhaltsreichtum und Gediegenheit« der rassenkundlichen Texte. 1923 habilitierte sich Thurnwald an die Universität Berlin um. Dort erhielt er 1925 den Titel eines nichtbeamteten außerordentlichen Professors. Ab 1935 war er Honorarprofessor der Universität Berlin, ab 1946 Professor mit vollem Lehrauftrag. Thurnwald war ferner an der Gründung der Freien Universität Berlin beteiligt und wurde am 28. Mai 1949 zum "besoldeten Honorarprofessor für das Fach Ethnologie, Völkerpsychologie und Soziologie" (MK 1989: S. 282) rückwirkend an der Philosophischen Fakultät der FU Berlin ernannt. Das von ihm 1946 privat begründete Institut für Soziologie und Ethnologie wurde 1951 als Institut für Sozialpsychologie und Ethnologie der FU eingegliedert. (MK 1989: S. 282).

Organisationen: -

Quellen: UAHW, Rep. 21, Abt. III Nr. 149; Kürschner; BA R 4901/13278; Melk-Koch, Marion, Auf der Suche nach der menschlichen Gesellschaft: Richard Thurnwald, Berlin 1989, S. 282.

Autor: HE

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