Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Rudolf Agricola

Rudolf Agricola

geboren:29. November 1900 Ladenburg am Neckar
gestorben:14. Januar 1985 Greifswald
Konfession:bis 1928 evangelisch
Vater:Zigarrenfabrikant

Rudolf Agricola

Obwohl die Zigarrenfabrik des Vaters Konkurs ging, konnte Agricola nach dem Besuch des Gymnasiums an den Universitäten Heidelberg, Freiburg und Erlangen sowie an der Handelshochschule Mannheim Rechtswissenschaften, Volks- und Betriebswirtschaft studieren. 1924 promovierte er mit der Dissertation »Die Beziehungen von Bankzentralen zu Filialen und Depositenkassen« an der Universität Freiburg zum Dr. rer. pol. Bis 1926 arbeitete er als Lehrer an der Handelshochschule Mannheim, danach als Handelsschuloberlehrer in Zeitz. Hier engagierte er sich für die SPD, angegriffen wurde er unter anderen, weil er Exkursionen zum Konsumverein der Region durchführte. Zugleich arbeitete Agricola als Journalist. 1931 verließ er die SPD und trat der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) bei. Seine Anstellung verlor er wegen seiner politischen Überzeugungen 1933. Für die verbotene KPD redigierte er danach die illegalen Zeitungen »Jetzt erst recht« und »Kommune«, die in einer Auflage von 800 Exemplaren verbreitet wurden. 1935 wurde Agricola verhaftet und zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Halle verbüßte. 1943 entlassen, fand er eine Anstellung als Buchhalter in Villingen. 1945 baute er im Auftrag der französischen Behörden eine Lokalzeitung auf, noch im selben Jahr wurde er Chefredakteur und Lizenzträger der Rhein-Neckar-Zeitung in Heidelberg (gemeinsam mit dem späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss). 1946 wechselte Agricola in dem Vorstand der (amerikanischen) Deutschen Allgemeinen Nachrichtenagentur (DENA) in Bad Nauheim, befand sich jedoch auf Grund seiner politischen Anschauungen in einer isolierten Position. 1947 siedelte er die SBZ. Die Behörden des Landes Sachsen-Anhalt verschafften Agricola eine Professur an der Universität Halle, aus »wissenschaftlichen Gründen« erfolgte nach Protest der Universität jedoch keine Berufung für das Fach Staatswissenschaften. Agricola wurde daher der vakante Lehrstuhl für Zeitungswissenschaften übertragen, später lehrte er Politische Ökonomie. Von 1948 bis 1951 wirkte Agricola als Prorektor der Universität, 1951 übernahm er das Rektorat von Eduard Winter. Im Herbst 1952 meldete er sich, »wegen Arbeitsüberlastung«, krank und übertrug sämtliche Amtsgeschäfte an den Prorektor Leo Stern. Da Agricola auch mit der akademischen Lehre überfordert war, das einzige größere Werk, dass er verfasste, war ein Leitfaden zur Buchführung (»Abschluss und Bilanz«, 1928), fand die SED für ihn 1954 eine Verwendung an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Hier war er Abteilungsleiter am Institut für Wirtschaftswissenschaften, seine eigentliche Aufgabe, die kritische Auseinandersetzung mit den wirtschaftspolitischen Auffassungen der westdeutschen Sozialdemokratie, erfüllte er jedoch nicht. 1956 wurde Agricola zum Generalkonsul an der DDR-Handelsvertretung in Helsinki ernannt, 1961/62 war er außerordentlicher Gesandter und Bevollmächtigter der DDR in Finnland. Nach der Rückkehr 1963 erhielt Agricola einen Lehrstuhl für Politische Ökonomie und internationale Beziehungen zu den nordischen Ländern an der Universität Greifswald. 1965 wurde Agricola emeritiert. Den Vaterländischen Verdienstorden erhielt er 1966, den Karl-Marx-Orden 1980.

Organisationen: 1924 bis 1931 SPD, 1932 SAP, 1933 illegal KPD, 1943 bis 1945 DAF; 1945 Vorsitzender der KPD Heidelberg, Mitglied des Landesvorstandes Württemberg-Baden, 1948 SED, Dozentenlehrgang an der Parteihochschule »Karl Marx« in Kleinmachnow, 1950 Mitglied des VVN-Zentralvorstandes, 1950 bis 1958 Abgeordneter der Volkskammer.

Quelle: UAHW, Rep. 11, PA 3855 (Agricola); Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann (Hg.), Wer war wer in der DDR?, Berlin 2000, S. 16 f.

Autor: HE

Zum Seitenanfang