Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Rudolf Koch

Rudolf Koch

geboren: 2. April 1909 Berlin
gestorben: 2. Juni 1963 Bamberg (Selbsttötung)
Konfession: katholisch
Vater: Arzt, Abteilungsdirektor

Rudolf Koch

Koch besuchte das Joachim-Friedrich-Realgymnasium in Berlin-Wilmersdorf (Reifeprüfung 1928). Er studierte Medizin an den Universitäten Berlin, Würzburg und Wien, während der Semesterferien famulierte er in der Pathologie des Krankenhauses Friedrichshain. Die Praktika absolvierte er am Urbankrankenhaus und in der Universitätsfrauenklinik Berlin (bei Walter Stoeckel) sowie in der Pathologie der Charité. Die Approbation als Arzt erhielt Koch 1935. Danach volontierte er am gerichtsärztlichen Institut der Universität Berlin und erhielt noch im selben Jahr eine außerplanmäßige (seit 1938 planmäßige) Assistentenstelle am Institut für gerichtliche Medizin und Kriminalistik der Universität Münster. 1936 promovierte Koch hier mit der Dissertation »Menigeale Cysten, ihre Form und ihre Entstehung«. 1937 legte er das Amtsarztexamen ab. 1938 wurde er mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Gerichtsarztes für die Stadt Münster betraut, 1939 leitete er vertretungsweise das Institut. 1940 habilitierte er sich mit der Arbeit »Über Sittlichkeitsverbrecher« in der er beim Vorliegen bestimmter Kriterien eine Sterilisation von »Triebtätern« befürwortete. Nach eigener Angabe bestätigte das Reichswissenschaftsministerium die Ernennung zum Dozenten »aus politischen Gründen« erst nach seinem Eintritt in das NS-Fliegerkorps 1942. Ab 1943 leistete Koch Kriegsdienst als Unterarzt bzw. Truppenarzt in einer Panzerabteilung. Nach der Genesung von einer Diphtherieerkrankung wurde er 1944 Lazarettarzt. Ab Februar 1945 war Koch beim beratenden Pathologen West eingesetzt, in der Endphase des Krieges in einem Salzburger Lazarett. Aus der US-amerikanischen Gefangenschaft kehrte er im August 1945 nach Münster zurück und wurde erneut mit der vertretungsweisen Leitung des gerichtsärztlichen Instituts betraut. Außerdem war er an der Aufklärung von Kriegsverbrechen beteiligt und arbeitete für britische Militärgerichte sowie als Lehrer an Polizeischulen in der Britischen Besatzungszone. Da Koch sich durch die Reintegration einstiger Nationalsozialisten an die Universität brüskiert fühlte, sondierte er 1947 vorsichtig, ob ein Wechsel in die Sowjetische Besatzungszone möglich wäre. Noch im selben Jahr erhielt er Rufe an die Universitäten Greifswald und Halle, wo er zum Wintersemester 1947/48 eine Professur mit vollem Lehrauftrag übernahm. Rufe nach Leipzig (1947) und Berlin (1950, 1955) lehnte er nach Zusagen zur akzeptablen Ausstattung seines von den Besatzungsbehörden geplünderten Instituts ab. 1950 folgte die Ernennung zum Professor mit Lehrstuhl. Ende 1958 kehrte Koch von einer Dienstreise in die Bundesrepublik nicht zurück. In seinem Abschiedsbrief gab er als Grund die Verschärfung der atheistischen und intelligenzfeindlichen Propaganda in der DDR an. 1959 wurde Koch zum Landgerichtsrat und Oberregierungsmedizinalrat in Coburg ernannt.

Trotz seines Eintretens für die Sterilisation von »Triebtätern« in der NS-Zeit unterschied sich Koch deutlich vom damals typischen Gerichtsmediziner. So behandelte er bis 1945 keinerlei gesellschaftlich relevanten Fragen, sondern publizierte ausschließlich über bemerkenswerte Fälle, vor allem Vergiftungen, aus der kriminalistischen Praxis. Erst in der SBZ/DDR veröffentlichte er über Kindstod und Kindestötungen sowie über die Folgen gesetzlicher Regelungen für die Tätigkeit der Gerichtsmediziner. In Halle wandte er sich – von den Kollegen der Medizinischen Fakultät unterstützt – der bis heute tabuisierten Frage nach ärztlichen Kunstfehlern zu. Aus der Zusammenarbeit mit Pathologen und Biochemikern resultierten Veröffentlichungen zur Entstehung und den Folgen von Karzinomerkrankungen, u. a. wies er die immer wieder vorgebrachte Hypothese von Krebs als Virus-Erkrankung zurück. Darüber hinaus setzte er sich für verdrängte und unter Druck gesetzte Kollegen ein.

Organisationen: 1928 bis 1933 Zentrum; 1935 NS-Ärztebund, 1937 NSV, 1942 Sturmmann (Arzt) im NS-Fliegerkorps, 1943 Reichskolonialbund

Bemerkung: Kochs Vater Josef war Abteilungsdirektor am Institut für Infektionskrankheiten »Robert Koch« in Berlin.

Quellen: UAHW, Rep. 11, PA 9128 (R. Koch); Schriften; Kürschner, Klee, Personenlexikon, S. 324.

Autor: HE

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