Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Jacoby, Georg

geboren:22.7.1899 Halle
gestorben:19.8.1987 Achern/Schwarzwald
Konfession:-
Vater:-

Jacoby, Georg

Dermatologe

Georg Jacoby war Dermatologe. 1936 wurde er aus der hallischen Universitäts-Hautklinik, wo er als Assistenzarzt arbeitete, aus „rassenpolitischen Gründen“ entlassen. Er war Häftling in mehreren Konzentrationslagern (Sachsenhausen und Theresienstadt). Jacoby war verheiratet und hatte drei Kinder. Bereits im Juni 1945 kehrte er an die hallische Hautklinik zurück, zunächst als kommissarischer Direktor, dann als Direktor. In seiner Bewerbung bei Kurator Tromp hatte er am 12. Juni 1945 geschrieben:

„Hierdurch bitte ich um die Genehmigung, an der Universitäts-Hautklinik als Arzt eingestellt zu werden. Nachdem ich dort bereits in den Jahren 1933 bis 1936 genau drei Jahre tätig gewesen bin, habe ich in Wien in der Klinik von Hofrat Oppenheim meine Kenntnisse vertiefen können.

Ich beabsichtige, an der Klinik insbesondere wissenschaftlich zu arbeiten, und zwar vor allem auf dem Gebiet der Röntgenbestrahlung. Seinerzeit konnte ich mit einem von mir geschaffenen Röntgenapparat die Strahlenqualitäten erschliessen, die zwischen den Grenz- und Röntgenstrahlen liegen und bisher der Therapie und Forschung nicht zugänglich waren. Ausserdem war zum ersten Mal ein Röntgenapparat geschaffen, der die Bucky- und Röntgenstrahlen in einer einzigen Apparatur liefert. Die Arbeit ist seinerzeit in der Schweizer Medizinischen Wochenschrift erschienen. (66. Jahrgang 1936, Nr. 19)

Weiterhin habe ich über Krebsbestrahlung gearbeitet, und als erster die Ergebnisse der Nahbestrahlung nach Chaoul nachgeprüft. Ein damaliger Kollege von mir hat darüber veröffentlicht, da ich zu dieser Zeit in Deutschland nicht veröffentlichen durfte. Der Originaltext dieser Arbeit mit meiner Handschrift befindet sich noch in meinem Besitz. Ich wurde damals von Geheimrat Sauerbruch eingeladen, auf dem Röntgenologenkongress zu sprechen, musste aber ablehnen, da ich aus rassepolitischen Erwägungen heraus Schwierigkeiten fürchtete. […]

Hochachtungsvoll

[gez.] Jacoby“

Da die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten stark zugenommen hatte und es an den einfachsten Alltagsdingen für den Kliniksbetrieb fehlte, fühlte sich Georg Jacoby überfordert. Hinzu kam, dass er von der Medizinischen Fakultät nicht unterstützt wurde. Die Schwierigkeiten, mit denen er in der Nachkriegszeit zu kämpfen hatte, werden aus dem Briefwechsel mit dem Kurator Friedrich Elchlepp deutlich. Am 9. Dezember 1946 schrieb Jacoby an ihn:

„Zu meinem Bedauern muß ich mitteilen, daß ich meinen Posten als Direktor der Universitäts-Hautklinik zur Verfügung stellen muß.

Ich bin nicht in der Lage, die Verantwortung der Klinik mehr zu übernehmen und werde bemüht bleiben, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Da ich gesundheitlich absolut nicht auf der Höhe bin, bin ich genötigt, meinen Urlaub sofort anzutreten.

Ich habe Herrn Dr. Holz gebeten, mich hier zu vertreten. Herr Dr. Holz ist, wie ich wiederholt mitteilte, in der Lage, die Dienstgeschäfte eines Direktors der Klinik zu übernehmen.

[gez.] Jacoby“

Am 17. Dezember 1946 legte Jacoby, offensichtlich auf Nachfrage, dem Kurator seine Gründe für den Rücktritt vom Direktorenamt dar:

„Die Gründe, weswegen ich mein Amt als Leiter der Klinik niederlege, sind folgende:

Anläßlich des Besuches eines russischen Professors wurde mit Recht verlangt, daß an der Klinik wissenschaftlich gearbeitet wird. Ich habe auseinandergesetzt, daß wissenschaftliche Arbeit nur geleistet werden kann, wenn dazu Zeit übrig ist. Im Augenblick steht für wissenschaftliche Arbeit keine Zeit zur Verfügung. Die Zahl der Patienten, die die Klinik aufsuchen, ist seit 1939 bei gleicher Assistentenzahl um das zehnfache gestiegen. Es würde auch nicht wesentlich helfen, wenn in der Poliklinik nur diagnostiziert wird, da nicht die Behandlung, sondern gerade die Erhebung der Anamnese und die Diagnosestellung die meiste Zeit in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund hatte ich beabsichtigt, 4 Assistenten einzustellen, da hierdurch die ganze Angelegenheit zum Teil hätte erledigt werden können. Um Platz zu schaffen, sollte ein Teil der Poliklinik in die Baracke gelegt und die Paracelsusstraße mit Betten belegt werden. Gute Laboratoriumsräume sollten durch Aufstocken gewonnen werden. Dieser Plan scheiterte u.a. daran, daß die Assistenten abgelehnt wurden und die Paracelsusstr. aus Mangel an Bettwäsche nicht belegt werden kann.

Ich möchte besonders darauf hinweisen, daß ich eine nur diagnostische Tätigkeit an der Poliklinik für ebenso unzweckmäßig halte wie eine Trennung von Klinik und Poliklinik überhaupt. Wenn ich auch ein Anhänger der öffentlichen Behandlungsstellen bin, so stehe ich doch auf dem Standpunkt, daß zur Zeit eine Zentralisierung der Behandlung an einer Universitätsklinik günstiger ist als eine Dezentralisierung. Der Mangel an Mikroskopen, Instrumenten usw. wird, soweit ich die Wirtschaft übersehen kann, in absehbarer Zeit nicht behoben sein und ebensowenig der Mangel an geeigneten Ärzten. Die Behandlung der Patienten und die Kontrolluntersuchungen […] werden also zweifellos zur Zeit in der Univ. Hautklinik besser sein als in öffentlichen Behandlungsstellen.

Das Amt des Provinzialvenerologen ist zur Zeit so schwer, daß ich auch hierfür die Verantwortung nicht tragen kann. Es ist nicht geglückt, die Bezirksvenerologen trotz des Befehls 0194 zu motorisieren und der Provinzialvenerologe hat, nachdem er sich mit endloser Mühe Reifen für seinen Wagen beschafft hat, durch Diebstahl den Wagen verloren und der Kampf um den Wagen, anders kann man es nicht ausdrücken, müßte nun von Neuem beginnen.

Es wird weiterhin eine neue Statistik verlangt, die zwar ganz ausgezeichnet ist, aber mangels ausreichendem Personals niemals durchgeführt werden wird. Sie soll bereits am 1.1.47 durchgeführt werden, bis heute sind weder die Formulare da, noch werden zu dem Termin geeignete Statistiker eingestellt sein. Überhaupt ist der Personalmangel sehr groß. Geeignete Schwestern sind kaum noch zu beschaffen. Hierzu kommt die verlangte Durchführung des Achtstundentages auch für die Schwestern.

Von den eigenen Schwierigkeiten der Kohlenbeschaffung und der Lebensmittel für die Familie will ich gar nicht sprechen. Aber diese Kleinigkeiten zermürben auch, so daß ein sorgfältiges und gewissenhaftes Arbeiten nicht möglich ist.

[gez.] Jacoby“

Am 4. Januar 1947 wandte sich der Kurator an die Provinzialregierung Sachsen-Anhalt, Minister für Volksbildung, Kunst und Wissenschaft, Halle:

„Anliegend überreiche ich abschriftlich 2 Schreiben des Direktors der Univ.-Hautklinik, Prof. Jacoby. Ich gestatte mir, dazu wie folgt Stellung zu nehmen: Ich habe in verschiedenen Verhandlungen mit Herrn Prof. Jacoby die Gründe zu klären versucht, die ihn veranlasst haben, sein Amt als Direktor der Universitäts-Hautklinik zur Verfügung zu stellen. Aus diesen Unterhaltungen ergibt sich eindeutig, dass Herr Prof. Jacoby durch die Verbindung seines Amtes als Direktor der Univ.-Hautklinik mit dem des Provinzialvenerologen derart überlastet war, dass er zu keiner auch nur einigermassen befriedigenden Tätigkeit kommen konnte. Meines Wissens ist Prof. Jacoby inzwischen vom Amt des Provinzialvenerologen zurückgetreten, und dieses Amt ist inzwischen anderweitig besetzt worden. Damit entfällt einer der Hauptgründe für den Antrag Jacoby.

Da Prof. Jacoby im Jahre 1945 gegen die Fakultät berufen worden ist, da er einer der aktivsten antifaschistischen Professoren innerhalb unserer Universität ist, würde sein Ausscheiden aus dem Lehrkörper einen politisch kaum tragbaren Verlust bedeuten. Ich bin der Ansicht, dass, wenn die Trennung des Amtes des Provinzialvenerologen endgültig durchgeführt ist, durchaus Mittel und Wege gefunden werden können, Prof. Jacoby an der Universität zu halten.

Dazu aber ist zweierlei erforderlich:

1. dass ihm die von ihm beantragten 4 Assistenten unverzüglich bewilligt werden.

Diese Forderung, ihm 4 Assistenten zur Bewältigung der ungeheuer angewachsenen Arbeit in der Hautklinik etatmässig zu bewilligen, ist auch unter Anlegung schärfsten Maßstabes berechtigt.

2. müsste ihm die Möglichkeit gegeben werden, die jetzige Univ. Hautklinik dadurch zu entlasten, dass der Kliniksbau in der Paracelsusstrasse in Betrieb genommen wird. Das scheiterte bisher daran, dass für die 150 Betten in diesem Neubau Bettwäsche zur Verfügung gestellt wird.

Abschliessend bemerke ich noch, dass Prof. Jacoby zu seinem Rücktrittsgesuch hauptsächlich dadurch veranlasst wurde, dass die zuständigen Stellen ausdrücklich die Erwartung ausgesprochen haben, dass in der Statistik über die Geschlechtskrankheiten in der Provinz ein Rückgang in den Geschlechtskrankheiten in Erscheinung treten müsse. Herr Prof. Jacoby aber ist auf Grund seiner eingehenden Kenntnisse überzeugt, dass die Statistik über die Geschlechtskrankheiten weiterhin ein zunehmend ungünstiges Bild zeigen wird.

Sowohl aus sachlichen wie auch aus politischen Gründen schlage ich vor, das Rücktrittsgesuch des Prof. Jacoby abzulehnen, ihm dagegen zur Wiederherstellung seiner Gesundheit einen Urlaub von 3 Monaten zu gewähren, so dass er am 1.4.47 die Amtsgeschäfte wieder übernehmen würde. Inzwischen aber müsste die Frage der 4 Assistenten und der Inbetriebnahme der Klinik in der Paracelsusstrasse gelöst werden.

[gez.] Elchlepp“

Jacoby erklärte sich bereit, die Klinik weiter zu leiten.

1948, in der Zeit des Stalinismus und der politischen Willkür, wurden ein Oberarzt und zwei Ärzte aus seiner Klinik verhaftet, ein weiterer floh daraufhin. Georg Jacoby setzte sich in uneigennütziger Weise für die Verhafteten ein. 1949 floh er selbst mit seiner Familie aus der DDR und ging nach New York, wo er an einer Klinik als Arzt arbeitete. Nach seiner Pensionierung kehrte er nach Europa zurück und lebte zunächst in Lugano und später in Frankfurt am Main. Der bekannte Architekturzeichner Helmut Jacoby (1926–2005) war sein Sohn. Georg Jacobys Tochter Elinor (geb. 1929, das Todesdatum ist derzeit nicht bekannt) lebte nach dem Zweiten Weltkrieg als Ärztin in Sasbach im Schwarzwald. Seine zweite Tochter Hanna starb im Alter von 30 Jahren.


Quelle

  • UAH PA 8353 und Gespräche mit Elinor und Helmut Jacoby.

Quelle: Friedemann Stengel (Hg.): Ausgeschlossen. Die 1933-1945 entlassenen Hochschullehrer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Halle 2016, S. 203 - 209

Autorin: Sybille Gerstengarbe

Weitere Bilder und Dokumente:

Dokument: Jacoby, Georg

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