Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Weisbach, Walter

geboren:29.9.1889 Berlin
gestorben:2.9.1962 Den Haag
Konfession:evangelisch
Vater:Börsenmakler

Weisbach, Walter

Hygieniker

Walter Weisbach war Arzt und Hygieniker, der 1933 aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ seinen Lehrauftrag für Soziale Hygiene und Gewerbehygiene an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg verlor. Durch das sogenannte Frontkämpferprivileg, das Ausnahmen für Soldaten des Ersten Weltkrieges machte, blieb er noch drei weitere Jahre Mitglied der Universität, bis er 1936 aufgrund des Reichsbürgergesetzes von der Universität ausgeschlossen wurde.

Walter Weisbach wurde am 29. September 1889 in Berlin geboren. Sein Vater Max Weisbach (1854–1919) war als Makler an der Berliner Börse tätig. Seine Mutter Rosa Falkenheim (1861–1923) war die Tochter eines Rabbiners aus Liegnitz (Schlesien). Er wuchs in engem Kontakt mit der Berliner Kunstwelt auf. Sein Onkel Valentin Weisbach (1843–1899) war Börsenmakler, Sozialreformer und Kunstmäzen, so unter anderem Gründungsmitglied des Kaiser Friedrich-Museums-Vereins, sein Cousin Werner Weisbach (1873–1953) war von 1921 bis 1933 außerordentlicher Professor für Kunstgeschichte an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, bevor er 1935 in die Schweiz emigrierte.

Nach dem Abitur 1908 studierte Walter Weisbach Medizin an den Universitäten Freiburg und Berlin. Am 29. April 1913 legte er in Freiburg sein Staatsexamen ab und wurde am 2. Mai 1913 mit der Arbeit „Welches ist die beste Methode zur Reinigung der Mundhöhle?“ promoviert. Im Anschluss an das medizinische Staatsexamen begann er, in Freiburg Nationalökonomie zu studieren. 1914 arbeitete Weisbach am Hygienischen Institut der Universität Freiburg, das von Martin Hahn (1865–1934), Ordinarius für Hygiene, geleitet wurde. In seinem Lebenslauf schilderte Weisbach, wie sich seine berufliche Laufbahn seit dem Ende des Studiums entwickelt hatte:

„Meine klinische Ausbildung erhielt ich in der Universitäts-Poliklinik der Universität Berlin und im städtischen Krankenhaus Moabit, sowie als ein freiw. Arzt im  Garnisonslazarett Berlin-Tempelhof. Bis zum Ausbruch des Krieges war ich abwechselnd in Berlin und Freiburg tätig, dann rückte ich als Truppenarzt (Assistenzarzt d. R.) ins Feld, war u.a. 3 Jahre auf dem Balkankriegsschauplatz mit der Bekämpfung der Tropenkrankheiten betraut und kehrte am 30.11.1918 nach der Heimat zurück.“

Seine Erfahrungen als Truppenarzt fließen in zwei Arbeiten ein: „Behelfsmäßige Verbandstoffe“ (1915) und „Fieberhafte Erkrankungen auf dem Balkan“ (1916), die beide in der „Münchner Medizinischen Wochenschrift“ erschienen. Walter Weisbach erhielt für den Einsatz im Krieg das Eiserne Kreuz 2. Klasse (1915). Er schildert die Begebenheiten in Belgien, die zur Medaillenverleihung führten:

„Truppenverbandplatz errichtete ich kurz hinter Bhf. Langemark in Richtung Pilkem. Infanterie war vor uns, Feldartillerie hinter uns. Bis zum 26ten kaum Feuer von englischer Seite. In der Nacht vom 26ten zum 27ten heftigeres Feuer. Am 27ten abends 7 Uhr Überschüttung des Gebietes mit Schwefelgranaten. Verwundete verschiedenster Regimenter waren zu versorgen. Dicht neben mir fiel Leutnant Oskandi meiner Kompagnie. Einen schwer verwundeten Jägerhauptmann konnte ich selbst kriechend in Deckung bringen und auf die gleiche Weise meinen gefallenen Kameraden ein Stück zurückholen, bis er mir von 2 Eisenbahnpionieren abgenommen
werden konnte.“

Nach dem Ende des Krieges kehrte Weisbach im November 1918 nach Berlin zurück und wurde sofort als Assistent am Pathologisch-Anatomischen Institut des Krankenhauses Charlottenburg angestellt. 1920 wechselte Weisbach an die Universität Halle-Wittenberg und war zunächst Assistent am Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten beim Hygienischen Institut der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg. Seit dem 1. April 1921 war er Assistent am Hygienischen Institut der Medizinischen Fakultät der Universität und habilitierte sich im selben Jahr für das Fachgebiet Hygiene, soziale Hygiene, Immunitätslehre und Bakteriologie mit der Arbeit „Die Wassermannsche Reaktion und Ausflockungsreaktion nach Sachs-Georgi und Meinecke im Lichte neuerer Forschung“. Neben der Arbeit im Institut leitete Weisbach von 1921 bis 1925 auch die Staatliche Desinfektorenschule in Halle. Seit 1920 war Weisbach mit Irma-Marie Junk (geb. 1900), der Tochter des Berliner Verlegers und Antiquars Wilhelm Junk (1866–1942), verheiratet.

Im Mai 1922 stellte er bei der Medizinischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg einen Antrag, um vom in Berlin ansässigen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung einen Lehrauftrag für Soziale Hygiene und Gewerbehygiene zu erhalten. Das Ministerium genehmigte diesen Antrag im September 1922, woraufhin Weisbach mit großem Erfolg Vorlesungen in Sozialhygiene hielt. 1923 lobte der Dekan der Medizinischen Fakultät, Martin Kochmann (1878–1936), die Vorlesungen von Weisbach:

„Dr. Weisbach’s nationalökonomische Ausbildung und Betrachtungsweise – er hört auch jetzt noch Vorlesungen bei Prof. Waentig und Prof. Wolff – macht seine Vorlesung besonders instruktiv und wertvoll, wie der gute Besuch durch die Studierenden zeigt.“

Im Mai 1925 reichte die Medizinische Fakultät beim Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung den Vorschlag ein, Walter Weisbach die Amtsbezeichnung „außerplanmäßiger außerordentlicher Professor“ zu verleihen. Argumentiert wurde, dass Weisbach nur verzögert habilitieren konnte, da er „die ganze Zeit im Felde“ war und dadurch „seine Pläne für eine wissenschaftliche Laufbahn und Habilitation fürs erste durchkreuzt“ waren. Diesem Antrag wurde im Ministerium stattgegeben; am 1. August 1925 wurde er zum „nichtbeamteten außerordentlichen Professor“ ernannt.

Im selben Jahr wurde Walter Weisbach am 1. Juni 1925 zum Wissenschaftlichen Direktor des Deutschen Hygienemuseums in Dresden gewählt. Er nahm die Stelle in Dresden an, bat aber darum, zunächst für ein Jahr von seinen Pflichten, Vorlesungen zu halten, entbunden zu werden. Von 1926 bis 1933 betreute Weisbach auch die Veröffentlichungen der Hygiene-Akademie in Dresden, deren Direktor er seit 1926 war.

Da Walter Weisbach zum Lehrkörper der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg gehörte, füllte auch er den „Fragebogen zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933“ aus. Dort gab er an, dass seine Konfession evangelisch sei, er aber „bei Geburt“ jüdisch war. Auch bei seinen Eltern und Großeltern gab er als Konfession „jüdisch“ an. Daraufhin entzog man ihm am 14. August 1933 mit sofortiger Wirkung seine Lehraufträge für Soziale Hygiene bzw. Soziale Hygiene und Gewerbehygiene.

Gleich nach der Kündigung emigrierte Weisbach mit seiner Frau Irma-Marie und seiner Tochter Ingeborg (geb. 1921) in die Niederlande. Auch die Familie seiner Frau folgte ihnen. Sein Schwiegervater Wilhelm Junk, der in Berlin ein bedeutendes Antiquariat für naturwissenschaftliche Bücher sowie einen Verlag geführt hatte, setzte diese Tätigkeit in den Niederlanden fort. Weiterhin versuchte Weisbach, den guten Kontakt zur Universität zu halten. Von Utrecht aus teilte er am 17. April 1934 Julius Wätjen (1883–1968), dem Dekan der Medizinischen Fakultät mit, dass er einer Einladung des „Het Groene Kruis“, dem Grünen Kreuz, folgen würde, die „in Utrecht vorhandenen Unterrichtssammlungen für Gesundheitspflege zu reorganisieren und das dortige Museum nach meinen Plänen auszubauen“. Weisbach bat daher für das Wintersemester 1934/35 um Beurlaubung von seinen Pflichten als Dozent der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Am 22. August 1934 nahm Johannes Volkmann (1889–1982) als „Führer der Dozentenschaft“ der Universität dazu Stellung. Volkmann sprach sich dagegen aus, dass Weisbach weiterhin Dozent der Universität bleiben sollte:

„Herr Prof. W. ist an sich infolge seiner jüdischen Abstammung nicht als geeigneter Vertreter der deutschen Wissenschaft und insbesondere der Universität Halle im Ausland anzusehen. Gegen seine private Tätigkeit in den Niederlanden wäre aber wohl nichts einzuwenden, vielleicht soll sie sogar das Sprungbrett zu einer Auswanderung aus Deutschland sein, die uns ja nur recht sein könnte.“

Trotz dieses Protestes blieb Weisbach weiterhin Dozent der Universität und wurde bis Ende 1935 von der Vorlesungstätigkeit befreit. Am 26. Oktober 1935 kündigte der Kurator jedoch an, dass Weisbach „in Hinblick auf die in Aussicht stehenden Durchführungsbestimmungen zum Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935“ mit sofortiger Wirkung beurlaubt sei. Geschützt war Weisbach damit aber nicht. Am 25. Februar 1936 wurde ihm vom Kurator der Universität mitgeteilt, dass ihm „auf Grund des § 3 des Reichsbürgergesetzes in Verbindung mit § 4 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 und mit § 1 Abs. 3 der Zweiten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 21. Dezember 1935 […] mit Ablauf des 31. Dezember 1935 die Lehrbefugnis an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg“ entzogen wird.

Weisbach blieb weiterhin mit seiner Familie in den Niederlanden. Von dort aus meldete er sich am 28. Mai 1936. In einem langen Brief schilderte er, dass er sich aufgrund seines Aufenthaltes in den Niederlanden in einer rechtlichen Grauzone befinde. Er bat die Universität um Unterstützung in diesem Fall, indem sie ihn offiziell beurlaubte:

„Nachdem ich die Ehre hatte, 15 Jahre lang dem Lehrkörper der Universität als Privatdozent und seit 1925 als n.b.a.o. Professor anzugehören, war ich […] befreit, um der ehrenvollen Aufgabe nachgehen zu können, in Holland nach deutschem Muster für das Grüne Kreuz sozialhygienisches Unterrichtsmaterial zu schaffen. […]. Es ist mir nicht klar, ob eine Beurlaubung durch den Herrn Reichsminister nach Entziehung der Lehrbefugnis noch in Frage kommt. In jedem Falle bitte ich den Herrn Kurator ganz ergebenst, […] die Zustimmung herbeizuführen, […] daß ich für etwa 2 Jahre meinen Wohnsitz für diese Zeit nach Holland verlegen darf. Ich bedarf der Genehmigung der obersten Behörde, damit mein Pensionsanspruch nicht ruht. Da ich während meiner Abwesenheit in Holland bei der Durchführung der  ehrenamtlichen Aufgabe nur ein ganz kleines Tagesgeld erhalte, bedeutet die Aufrechterhaltung des Pensionsanspruches für mich eine absolute Existenzfrage. gez. Weisbach.“

Am 29. Mai 1936 folgte die Antwort des Kurators, welche Weisbachs Bitte abwies:

„Dr. Weisbach war Dozent an der hiesigen Universität. Ihm ist auf Grund der Ausführungsbestimmung zum Reichsbürgergesetz am 25.2.1936 die Lehrbefugnis entzogen worden. Damit sind die Beziehungen des Antragstellers zur Universität und darüber hinaus zum dem vorgeordneten Ministerium gelöst. Aus diesem Grunde können die von ihm gewünschten Bescheinigungen nicht ausgestellt werden.“

Weisbach verblieb in den Niederlanden. Nach der deutschen Okkupation der Niederlande wurde er 1940 in das KZ-Sammellager Westerbork gebracht. Als einer der wenigen Überlebenden dieses Lagers wurde er – physisch und psychisch stark gezeichnet – 1945 aus dem Lager befreit. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute er den Verlag seines Schwiegervaters weiter aus und publizierte erfolgreich naturwissenschaftliche, vor allem biologische Fachbücher, wie das biologisch-medizinische Tabellenwerk ,,TABULAE BIOLOGICAE“. Er starb 1962 in Den Haag, kurz nachdem er mit seiner Frau Irma-Marie noch eine längere Reise durch Skandinavien unternommen hatte.


Ausgewählte Publikationen von Walter Weisbach

  • Welches ist die beste Methode zur Reinigung der Mundhöhle? Berlin 1913 (Dissertation Freiburg i. Br. 1913).
  • Die Wassermannsche Reaktion und Ausflockungsreaktion nach Sachs-Georgi und Meinecke im Lichte neuerer Forschung. Jena 1921 (2. Aufl. 1924, Habilitationsschrift Halle 1921).
  • Grundriss der Hygiene für Zahnärzte. Berlin 1922.

Quellen und Literatur

  • UAH PA 16804. Die abgedruckten Dokumente stammen aus dieser Personalakte; die im Text verwendeten Zitate beziehen sich ebenfalls durchweg auf Schriftstücke aus der Personalakte. 
  • Caris-Petra Heidel: Schauplatz Sachsen. Vom Propagandazentrum für Rassenhygiene zur Hochburg der Kranken-„Euthanasie“. In: Klaus-Dietmar Henke (Hg.): Tödliche Medizin im Nationalsozialismus. Von der Rassenhygiene zum Massenmord. Köln 2007, 119–148.

Quelle: Friedemann Stengel (Hg.): Ausgeschlossen. Die 1933-1945 entlassenen Hochschullehrer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Halle 2016, S. 347 - 355

Autoren: Florian Steger unter Mitarbeit von Dajana Napiralla

Weitere Bilder und Dokumente:

Dokument: Weisbach, Walter

Dokument: Weisbach, Walter

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