Gustav (von) Schmoller
geboren: | 24. Juni 1838 Heilbronn |
gestorben: | 27. Juni 1917 Harzburg |
Konfession: | evangelisch |
Vater: | Kameralverwalter |
Gustav (von) Schmoller
Nach dem Besuch des Gymnasium arbeitete Schmoller zunächst in einer Anwaltskanzlei. Er studierte an der Universität Tübingen Nationalökonomie, Rechtswissenschaften, Geschichte und Philosophie sowie Physik, Chemie und Maschinenlehre. Seine Lösung einer Preisaufgabe über die volkswirtschaftlichen Anschauungen der Reformationszeit wurde gekürt und diente als Dissertation (Dr. der Staatswissenschaften 1961). Im selben Jahr bestand er das erste kameralistische Examen und trat als Referendar in den württembergischen Staatsdienst ein. Hier arbeitete er in der Finanzverwaltung, 1861 bearbeitete die württembergische Gewerbezählung, wobei er sich moderne statistischer Methoden bediente. In seiner freien Zeit befasste er sich mit verschiedenen philosophisch-ökonomischen Systemen, politisch positionierte er sich 1862 mit der Schrift »Der französische Handelsvertrag und seine Gegner«. Schmoller sprach sich für das preußisch-französische Abkommen aus und griff die württembergische Regierung wegen ihrer Parteinahme für Österreich scharf an. Die Beamtenlaufbahn blieb ihm daher verschlossen, so dass Schmoller zunächst in die Schweiz emigrierte. Ohne Habilitation wurde Schmoller auf Betreiben des Preußischen Kultusministeriums 1864 als Extraordinarius für Staatswissenschaften an die Universität Halle berufen, 1865 wurde er zum Ordinarius befördert. Schmoller arbeitete sich sehr schnell in die preußischen Verhältnisse ein und profilierte sich auch politisch. Er wurde Stadtverordneter, im April 1866 berief Schmoller gemeinsam mit anderen Altliberalen eine Volksversammlung ein, die – zur Entrüstug des liberalen Establishments – eine Zustimmungsadresse zur antiösterreichischen Politik Bismarcks verabschiedete. Zugleich wandte er sich in seiner »Geschichte des deutschen Kleingewerbes im 19. Jahrhundert« (1870) gegen das ungehemmte Wirken der Konkurrenz und plädierte für regulierende Eingriffe des Staates. In einer Rezension des Buches in der konservativen »Nationalzeitung« wurde Schmoller daraufhin als »Kathedersozialist« geschmäht. Gemeinsam mit ähnlich orientierten Hochschullehrern gründete Schmoller daraufhin im Oktober 1872 den Verein für Sozialpolitik, der ein sozialpolitisches Reformprogramm für Preußen entwarf. 1890 wurde er dessen Vorsitzender. Noch 1872 akzeptierte Schmoller die Berufung an die neugegründete Universität Strassburg, 1875/76 amtierte er hier als Rektor. Die Universität Berlin hatte Schmoller 1870 und 1879 auf ein Ordinariat berufen wollen, beide Male lehnte das Kultusministerium ab. 1882 betrachtete das Ministerium die Bedenken wegen Schmollers sozialpolitischer Orientierung als nicht mehr existent, so dass er als Ordinarius für Staatswissenschaften nach Berlin wechselte. 1894 wurde er zum des Preußischen Staatsrates und 1899 zum Mitglied des Herrenhauses ernannt. In der Kammer setzte sich Schmoller für eine behutsame Demokratisierung des Wahlrechtes ein, was ihm den – ungerechtfertigten – Ruf einbrachte, »Wegbereiter der Sozialdemokratie« zu sein. Sein sozialpolitisches Programm zielte vielmehr darauf ab, den Staat so zu stärken, dass er als sittliche Institution zum Interessenausgleich zwischen Arbeiterklasse und Besitzbürgertum in der Lage wäre. Schmoller begrüßte daher den mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges entstandenen »Burgfrieden«, bei den Debatten um die Kriegsziele sprach sich jedoch gegen annexionistische Bestrebungen aus.
Seiner staatssozialistischen Orientierung folgten auch Schmollers volkswirtschaftliche Schriften. Durch seine historischen Untersuchungen zur merkantilistischen Epoche sowie die von ihm und dem Historiker Heinrich von Sybel initiierte Edition der »Acta Borussica« zur preußischen Verwaltungsgeschichte wurde er zum eigentlichen Begründer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung. Sein »Grundriss der Volkswirtschaftslehre« (2 Bände, 1900, 1904) verband historische und im engeren Sinn ökonomische Fragestellungen bei gleichzeitiger Berücksichtigung neuester soziologischer Erkenntnisse. Schmoller war damit auch Pionier der historischen Sozialforschung, die mit seinen Schülern Werner Sombart und Max Weber ihren Durchbruch erlebte. Trotz zahlreicher von ihm initiierter Untersuchungen war das geadelte Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Lebzeiten wegen seiner historischen Methode umstritten. Heute wird sein Werk vor allem bei Historikern und Sozialwissenschaften anerkannt.
Quellen: Otto Hinze, Gustav von Schmoller, in: Deutsches Biographisches Jahrbuch 1917–1920, S. 124–134; Otto Lehmann, Die Nationalökonomie an der Universität Halle im 19. Jahrhundert, Halle 1935; S. 150–167; Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral, S. 72; Spenkuch, Herrenhaus, S. 370, 373, 548.
Autor: HE