Hermann Welcker
geboren: | 8. April 1822 Gießen |
gestorben: | 11. September 1897 Winterstein (Thüringer Wald) |
Konfession: | evangelisch |
Vater: | Hofadvokat |
Hermann Welcker
Der aus einer Gelehrten- und Beamtenfamilie stammende Welcker besuchte Gymnasien in Gießen und Darmstadt. An den Universitäten Bonn und Gießen studierte er Medizin und promovierte 1851 in Gießen mit einer der Wahrnehmungspsychologie gewidmeten Dissertation zum Dr. med. (»Über Irradiation und einige andere Erscheinungen des Sehens«). Von 1850 bis 1853 war er Assistenzarzt an der medizinischen Universitätsklinik Gießen. 1853 habilitierte er sich an der Universität Heidelberg für das Fach Anatomie. 1854 wechselte er nach Gießen, wo er ab 1855 als Prosektor tätig war. 1859 wurde er als Prosektor und besoldetet Extraordinarius an die Universität Halle berufen. 1866 folgte die Beförderung zum ordentlichen Professor. 1876 wurde Welcker, nach Alfred Volkmanns Rücktritt, Direktor des anatomischen Instituts und verantwortete den Neubau des Anatomiegebäudes. 1897 legte er die Direktion nieder. Welcker leistete substantielle Beiträge zur Weiterentwicklung der Mikroskopie als Untersuchungstechnik. Er färbte Ganglienzellen und deren Ausläufer mit Karmin ein und trug so zur Entwicklung der Färbetechnik bei. Welcker untersuchte die Histologie und Anatomie des Gehirns und der Sinnesorgane, durch exakte Messungen stellte er fest, dass im menschlichen Körper lediglich ca. fünf Liter Blut enthalten sind und korrigierte so die gängige Lehrmeinung. Ein groß angelegtes Werk über den menschlichen Schädel blieb Fragment. Einzelveröffentlichungen waren Schädelmissbildungen und anthropologischen Messungen – und damit der Zuordnung zu bestimmten Rassen – gewidmet. Anhand des Vergleichs von Bildern, Totenmasken und exhumierten Schädeln stellte Welcker die stochastische Regel der Weichteilbedeckung auf. Kurz nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen (1895), fertigte Welcker die wahrscheinlich erste Röntgenaufnahme eines Schädels an: ein Selbstporträt (1896). In verschiedenen Studien wies er die Echtheit der Schädel Dantes, Raffaels und Kants sowie die Unechtheit von Schillers Schädel nach (»Schillers Schädel und Todtenmaske, nebst Mitteilung über Schädel und Todtenmaske Kants«, 1883). Welcker interessierte sich auch für Enthnologie, so forschte er zur künstlichen Verkrüppelung der Füße von Chinesinnen und untersuchte anhand einer Mumie das altägyptische Beschneidungsritual. Außerdem veröffentlichte er eine Sammlung mit Dialektgedichten und zerstörte gemeinsam mit dem Historiker Theodor Lindner die Legende von dem sitzenden Leichnam Karls des Großen.
Welcker, der den liberalen Anschauungen seiner Familie verbunden blieb – ein Onkel war der Staatsrechtslehrer und Paulskirchenabgeordnete Karl Theodor Welcker – setzte sich auch für das Frauenstudium ein, konnte aber 1882 gegen den Widerstand des Preußischen Kultusministeriums nur den Verbleib einer Gasthörerin erreichen.
1970 wurde Welcker, dessen Ehrengrab wenige Jahre zuvor eingeebnet worden war, exhumiert. Seine Gebeine bewahrt die anatomische Sammlung der Universität auf.
Quellen: UAHW, Rep. 11, PA 16849 (Welcker); Chronik 1898/99, S. 5 f.; Joachim-Hermann Scharf, Die erste Röntgenaufnahme eines menschlichen Schädels, in: Biologische Rundschau 10 (1972), Heft 3, S. 202–205; Peter Tautz u. a., Die Exhumierung Hermann Welckers, in: Anatomischer Anzeiger, Band 131 (1972), S. 204–224; Leopoldina-Archiv MM 2277 (Welcker); Dissertation.
Autor: HE