Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Noch kein Bild vorhanden.

Beleites, Hermann

geboren:21. November 1940 in Halle
gestorben:4. Oktober 2019 in Halle
  
  

Beleites, Hermann

Hermann Beleites nahm 1960 ein Physikstudium in Halle auf. Als 1961 das Verteidigungsgesetz und der „Kampfauftrag der FDJ“ verabschiedet wurden, die eine Einführung der allgemeinen Wehrpflicht vorbereiteten, gab auch der Akademische Senat der Universität Halle eine entsprechende Erklärung heraus. Außerdem wurden die Studenten unter Druck gesetzt, Bereitschaftserklärungen im Sinne des „Kampfauftrages“ zu unterschreiben, der dazu aufforderte, dass sich jeder Student dazu bekennen sollte, im Kriegsfall zur Waffe zu greifen. Der Senatsbeschluss wurde dabei als eine in Bezug auf das gesellschaftliche und politische Handeln bindende Erklärung angesehen, der man sich nicht widersetzen durfte, ohne mit Disziplinarstrafen zu rechnen. Nur Erdmann Schott, der Dekan der Theologischen Fakultät, unterschrieb den Senatsbeschluss nicht, der Botaniker und Präsident der Leopoldina Kurt Mothes protestierte gegen die Entscheidung. Bei einer Aussprache mit Physikstudenten weigerte sich Hermann Beleites zusammen mit acht anderen Studenten (u.a. Christoph MorgeneyerHans-Dieter Nover), die Bereitschaftserklärung zu unterschreiben und kritisierte den Senatsbeschluss. Beleites berief sich dabei insbesondere auf seine Haltung als Christ und bezeichnete sich als Pazifist, der nicht bereit dazu sei, auf andere Menschen zu schießen. Die sich verweigernden Studenten wurden durch Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme, durch zeitweilige Beurlaubung und durch die Einleitung von Disziplinarverfahren unter Druck gesetzt, sodass bei einer Aussprache am 18.10.1961 nur noch sechs Studenten befragt wurden, die bei ihrer Position geblieben waren. Dies fand in Anwesenheit einiger Lehrender aus verschiedenen Fakultäten und von 200 Studenten der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät statt. Die Studenten hatten sich zuvor mit dem Dekan der Theologischen Fakultät, Erdmann Schott, beraten und daraufhin alle die Bereitschaftserklärung unterschrieben.

Bis auf Beleites und Christoph Morgeneyer erhielten die Studenten nur eine Verwarnung. Beleites wurde zeitweilig vom Studium ausgeschlossen und musste zunächst zur „Bewährung in der Produktion“ bei den Buna-Werken arbeiten. Anschließend konnte er sein Studium 1962 wieder aufnehmen und 1967 mit Diplom abschließen. Seine Studentenakte war 1973 vom MfS eingezogen und nicht wieder zurückgegeben worden. Er durfte in der DDR nicht als Physiker arbeiten und fand stattdessen eine Anstellung in der MEAG Halle, bzw. später der SWH Halle. Einen Tag nach dem Mauerfall, am 10.11.1989, machte sich Hermann Beleites zusammen mit seinem Neffen Johannes Beleites mit Hilfsgütern und Material von Amnesty International auf den Weg nach Rumänien. Da bei der Rückreise von rumänischen Grenzsoldaten einige der Schriften von Amnesty International entdeckt wurden, wurden beide am 19.11.1989 inhaftiert. Im Verhör wurden ihnen zehn Jahre Haft angedroht. Nach neun Tagen Haft wurden sie entlassen.

Hermann Beleites engagierte sich weiter in der Osteuropahilfe und nach 2010 unter anderem als Vorsitzender des regstrom-Vereins Halle für regenerative Energien.

Quellen: 
UAHW, Rep. 12, SA (Beleites) 44827 u. Rep. 18.1.2, Nr. 25.
Dieter Nover: Tagebuch 1959–1963. In: Hallische Beiträge zur Zeitgeschichte 11 (2002), 98–109, hier 100–103.
Hermann-J. Rupieper (Hg.): ››Es gibt keinen Ausweg für Brandt zum Krieg‹‹. August 1961 an der Martin-Luther-Universität, Halle (Saale) 2002, Nr. 14, 70–82 u. Nr. 33, 139f. 
Friedemann Stengel: Fakultäten, Die Theologischen Fakultäten in der DDR als Problem der Kirchen- und Hochschulpolitik des SED-Staates bis zu ihrer Umwandlung in Sektionen 1970/71, Leipzig 1998, 522–535.
https://www.archiv-buergerbewegung.de/100-power-to-the-people/themenbloecke-rumaenien/370-hilfe

Autor: AK

Zum Seitenanfang